Tagesordnungspunkt 27

Beratung

Missbilligung des Verhaltens der Ministerin für Inneres und Sport

Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4022


Einbringerin für die Fraktion Die Linke ist Frau Quade.

(Zustimmung bei der Linken)

Frau Quade, Sie haben das Wort. Bitte sehr.


Henriette Quade (Die Linke):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Asservate, also sichergestellte oder beschlagnahmte Gegenstände, müssen sicher vor Verlust oder Manipulation und eindeutig den jeweiligen Verfahren zugeordnet aufbewahrt und dokumentiert werden. Gibt es daran Zweifel, dann kann das ihre Beweiskraft in Prozessen vor Gericht einschränken.

(Guido Kosmehl, FDP: Richtig, hat es aber nicht!)

Deshalb geht es in dieser Debatte im Kern nicht um die beiden Asservate, zu denen es in den letzten Wochen wirklich unübersichtlich geworden ist. Sie sind lediglich die Spitze des Problembergs im Innenministerium. Das Chaos um sie zeigt ein strukturelles Problem.

(Zustimmung bei der Linken)

Es geht um den Zustand der Asservatenverwaltung in der Landespolizei. Es geht um den Versuch der Innenministerin, die Darstellung des Landesrechnungshofs als nicht sachgerecht, übertrieben und wesentliche Informationen unterschlagend darzustellen. Es geht um ein Defizit in der Wahrnehmung politischer Verantwortung.

(Zustimmung bei der Linken)

Der Jahresbericht des Landesrechnungshofs stellt fest - ich zitiere  :

„Die Asservatenverwaltung ist im Polizeibereich (Ministerium für Inneres und Sport) weder einheitlich noch zentral geregelt. Insgesamt existieren mehr als 50 Einzelvorschriften und Regelungen, die wirtschaftliche und zweckmäßige Prozessabläufe erschweren. Geschäftsprüfungen haben die Polizeidienststellen und das Ministerium für Inneres und Sport nicht oder nur unzureichend durchgeführt. Den erforderlichen Personalbedarf für die Asservatenverwaltung haben die Polizeidienststellen nicht ermittelt. Fortbildungsangebote und Erfahrungsaustausche für Asservatenverwalter fehlen. Geeignete IT-Lösungen für die Asservatenverwaltung sind nicht vorhanden. Dies führt zu unnötigem Mehraufwand und erhöht die Sicherheitsrisiken.“

(Eva von Angern, Die Linke: Man mag es nicht glauben!)

„Die Vielzahl der festgestellten Mängel resultiert aus der unzureichenden und inkonsequenten Dienst- und Fachaufsicht durch das Ministerium für Inneres und Sport.“

Meine Damen und Herren! Das ist ganz schön wenig Law und noch weniger Order und an der Stelle ist das ausnahmsweise einmal ein Problem.

(Zustimmung bei der Linken)

Der Rechnungshof schreibt weiter:

„Beim Ministerium für Inneres und Sport ist die Eigenverantwortung der einzelnen Polizeidienststellen nahezu der einzige Maßstab. Es fehlt hier vollständig an zentraler Steuerung und Kontrollmechanismen. Dementsprechend hoch war die vorgefundene Mängellage.“

Meine Damen und Herren! Das ist ein verheerender Befund und es ist ein klarer Handlungsauftrag.

(Zustimmung bei der Linken)

Was wir aber erleben, ist eine Ministerin, die, statt über strukturelle Probleme, über Einzelfälle spricht, und die, statt über eigene Verantwortung zu reden, zweimal mit einem harten Angriff auf die Arbeit des Landesrechnungshofs in den Innenausschuss geht. Ziemlich schnell wird klar: Es sind keineswegs die Informationen des Landesrechnungshofs falsch, sondern es sind die der Innenministerin.

(Zustimmung bei der Linken)

In der ersten Sitzung des Innenausschusses führte die Ministerin aus, der Landesrechnungshof habe in seinem Bericht wider besseres Wissen wesentliche Informationen zu einem Asservat vorenthalten, nämlich, dass es sich bei der AK 47, um die es in den letzten Wochen wirklich ein bisschen schillernd geworden ist, um eine Attrappe handele, was dem Rechnungshof so auch mitgeteilt worden sei.

Der Landesrechnungshof stellte schnell klar: Entgegen der Behauptung der Ministerin ist das dem Rechnungshof nie mitgeteilt worden. Der Staatssekretär schrieb einen zerknirschten Brief, er habe etwas falsch assoziiert und die Ministerin falsch informiert. - So weit, so peinlich.

Das war es aber noch nicht mit der Geschichte, deren Kern nicht die Frage ist, ob es eine Attrappe ist oder nicht. Vielmehr ist die Frage, warum ein Asservat als vernichtet gelistet wird, das nicht vernichtet wurde, und warum das niemandem auffällt.

(Zustimmung bei der Linken)

Es wurde, anders als dargestellt, später zwar zur Vernichtung übergeben, aber nicht vernichtet, sondern der Vergleichswaffensammlung des LKA übergeben. Der Prüfgruppe des Innenministeriums ist das nicht aufgefallen. In den Akten ist es offensichtlich nicht vermerkt.

Erfahren haben wir das, wie auch die Tatsache, dass aus einem anderen Polizeirevier 13 000 € aus einem gesicherten Verwahrschrank mit beschränktem Zugriff verschwunden sind, nicht von der Ministerin, sondern aus der Zeitung. Spätestens an der Stelle fragt man sich doch, was eigentlich in einem Ministerium los ist, wenn die Hausspitze bei einem Thema von so herausragendem öffentlichen Interesse derart falsch informiert wird und sich derart falsch informieren lässt.

(Zustimmung bei der Linken)

Wenige Tage später erhob das Innenministerium erneut einen erheblichen Widerspruch zum Rechnungshof. Im selben Revier, in dem die laut Akten vernichtete AK 47 gefunden wurde, fanden die Prüfer eine Stabhandgranate gelagert zusammen mit Munition und anderen Gegenständen in einem Pappkarton im Regal. Das Innenministerium teilte nun mit, dass diese Stabhandgranate für jeden sofort ersichtlich als Attrappe und mithin als ungefährlich erkennbar war, insbesondere anhand der Holzmaserung am eigentlich metallischen Sprengkopf.

Wieder war der Eindruck, der Landesrechnungshof würde sich entweder leichtfertig täuschen lassen oder aber entscheidende Informationen zur Einordnung des Vorgangs unterschlagen. Noch schneller als beim vorherigen Mal widersprach der Landesrechnungshof deutlich und stellte klar: Die Prüfer des Rechnungshofs arbeiten sorgfältig. Sie haben vor Ort eine Stabhandgranatenattrappe mit metallischem Sprengkopf festgestellt.

Nicht sie selbst, sondern die Akten der Polizei deklarieren das Asservat als Stabhandgranate, nicht als Attrappe. Zweifel an der Funktionsfähigkeit und Echtheit lassen sich den Akten nicht entnehmen. Wieder, meine Damen und Herren, ist die eigentliche Frage nicht, ob es eine Attrappe ist oder nicht, sondern die Frage, warum Akten und Realität nicht zusammenpassen

(Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)

und warum die Aussagen der Innenministerin eine derart kurze Halbwertszeit haben, zumal der Rechnungshof zu weiteren Aussagen des Innenministeriums ebenfalls Widerspruch anzeigte.

Wieder sah man eine Ministerin mit nicht tragfähigen Informationen, dafür aber im Abwehrmodus und mit einer, mit den Worten des Präsidenten des Rechnungshofs, ehrabschneidenden Kritik am Rechnungshof. Wir sind der Auffassung, es ist dringend nötig, als Landtag ein klares Stoppzeichen zu setzen und dieses Verhalten der Ministerin zu missbilligen.

(Zustimmung bei der Linken)

Es wird den zutage getretenen Mängeln und insbesondere der Verantwortung des Ministeriums für Inneres und Sport für diese Mängel nicht gerecht. Das wiederholte öffentliche Vorbringen von Behauptungen, die sich noch vor Ablauf des Tages als unwahr herausstellen, soll offensichtlich von Untätigkeit und Verantwortungsdiffusion im Innenministerium ablenken. Das beschädigt nicht nur das Ansehen der Ministerin, sondern es beschädigt auch das Ansehen der Landespolizei.

(Zustimmung bei der Linken)

Das Wort „Verantwortungsdiffusion“ stammt nicht von mir,

(Zuruf von der CDU: Nein!)

sondern aus dem Bericht einer Prüfgruppe zur Führung von Kriminalakten in der Landespolizei aus dem Jahr 2021. Denn es ist keineswegs so, dass die Punkte, die der Rechnungshof strukturell bemängelt, mit dem Jahresbericht 2023 erstmals zur Sprache kommen. Seit Jahren gibt es Hinweise aus der Landespolizei auf dringenden Handlungsbedarf im Bereich der Asservatenverwaltung und auf Folgeprobleme.

Insbesondere das Fehlen eines IT-Systems zur Verwaltung von Asservaten, die dringende Überholungsbedürftigkeit des im LKA vorhandenen Systems, fehlende Dienstpostenbeschreibungen und Gefährdungsbeurteilungen sowie vor allem ein Mangel an landesweit einheitlichen Vorgaben und Regelungen sowie an deren Kontrolle wurden immer wieder thematisiert.

Im Jahr 2018 beschrieb der damalige LKA-Direktor eindringlich, warum das LKA-Asservatenverwaltungssystem abgelöst werden muss. Er wies darauf hin, dass die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben, also z. B. die DSGVO-konforme Löschung von Daten, nicht möglich ist, und forderte ein landesweites Asservatenmanagement.

Seit mehr als zehn Jahren laufen Bund-Länder-Abfragen und -Austausche zu geeigneten Lösungen. Seit Jahren ist klar, dass Baumaßnahmen nötig sind. Seit Jahren wurden Projektgruppen eingesetzt, um Bedarfe zu erfassen, und Lösungen in Aussicht gestellt, die dann nicht kamen. Ebenfalls seit Jahren gibt es ein Aufschieben, ein Verschlafen der notwendigen Erneuerungen der IT-Infrastruktur und vor allem das Nichtwahrnehmen von Verantwortung für landesweite Regelungen, Lösungen und Kontrolle. Das Thema, meine Damen und Herren, hatte schlichtweg keine Priorität.

(Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Nun schreiben wir das Jahr 2024. Der Bericht des Rechnungshofs zeigt die Konsequenzen aus exakt dieser fehlenden Priorisierung im Innenministerium. Offensichtlich können nach wie vor Asservate verschwinden und niemandem fällt das auf. Sehr viel kann sich seit der Prüfung durch den Landesrechnungshof also nicht zum Besseren geändert haben.

Die Ministerin wartet auf Ergebnisse einer Projektgruppe, die qualitative Standards für die Verwaltung von Asservaten und Fachaufsicht erarbeiten soll, als ob es die nicht längst auch durch europäische Richtlinien untermauert gäbe. Statt eigene Versäumnisse und die ihres Vorgängers in den Blick zu nehmen, greift die Ministerin lieber den Rechnungshof an, während ihr Haus offensichtlich nicht in der Lage ist, konsistente Informationen zu liefern. Genau das, meine Damen und Herren, macht eine klare Positionierung und eine Missbilligung des Landtags nötig.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Problem der Asservatenverwaltung ist weitaus größter als eine Stabhandgranate im Kofferraum. - Vielen Dank.